Editorial
Bis zum 30.8. holt sich das Neue Museum Weserburg mit der Ausstellung »Urban Art« von der Street Art zurück, was ihr von dieser laut der Ankündigung auf der Website vermeintlich streitig gemacht wird: »Urban Art ist allgegenwärtig. Ungefragt hinterlässt sie ihre Spuren und Zeichen im Stadtraum. Mit Stickern, Postern, großflächigen Wandgemälden und Schablonengraffiti erobert sie sich den öffentlichen Raum.« Mittels der Musealisierung gelingt es der Ausstellung nicht nur die Street Art in den musealen Raum einzuziehen, sondern in einem Taschenspielertrick sich selbst als den eigentlichen und einzigen öffentlichen Raum zu erklären. »Ihre [die der Street Art - Künstler] Galerie sind die Straßen der Welt.« Wird einfach die ganze Welt zum Museum, wird der Konkurrenzkampf um die Öffentlichkeit zu den eigenen Gunsten entschieden - denn wenn die Straßen Galerien sind, ist die ganze Welt ein Museum - mit pazifistischen Folgen: »Auch wenn die meisten Aktionen immer noch anonym und illegal entstehen, handelt es sich nicht mehr ausschließlich um ein Phänomen der Jugendkultur. […] Ihnen geht es dabei in aller Regel nicht um die Beschädigung urbaner Infrastruktur, sondern um einen Dialog mit der Öffentlichkeit.« Na denn. Da das Ganze in Kooperation mit dem 32. Deutschen Evangelischen Kirchentag, vom 20. bis 24. Mai 2009 in Bremen stattfindet, tritt die fünfte Ausgabe des »Extrablatt - Aus Gründen gegen fast Alles« in zweierlei Hinsicht in revolutionärer Absicht an die Öffentlichkeit:
1. fordern wir mit der Fotoserie: Die Frage von Öffentlichkeit kann nicht allein zwischen Straße und Museum ausgetragen werden - wir haben auch ein Wörtchen mitzureden und erheben mit der Bilderserie wirklichen Anspruch sowohl auf die Straßen als auch auf die Museen.
2. sind wir - aus Gründen, wie sie in »Gottes Spektakel« von Lars Quadfasel dargelegt werden - materialistische KritikerInnen der Religion, daher gegen den Kirchentag. Was an Religion abseits dessen angesichts der ausstehenden Befreiung von den Kapitalverhältnissen hochgehalten werden muss, zeigt Sonja Wittes Beitrag »Religion als Symptom«. Warum angesichts islamfaschistischen Terrors trotzdem an der Notwendigkeit der Säkularisierung festzuhalten ist, zeigt sich im Interview mit Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime.
Daneben vertreten Andi Müller und Jacob Plunder-Blostek zwei unterschiedliche neue Positionen zum alten Problem der Antifa, wie sich Nazisverkloppen im Verhältnis zur Notwendigkeit der Kooperation mit bürgerlichen Bündnispartnern darstellt. Auf anderer Ebene, im Bremer Gericht zeigte sich in den Verhandlungen über den Brechmitteleinsatz mit tödlichen Folgen für Laye-Alama Condé, dass sich bürgerliche Rechtsordnung und faschistische Rechtssprechung nicht notwendig ausschließen - Christian Jakob zeigt fünf Gründe, warum man ungestraft afrikanische Drogenhändler töten darf.
Magnus Klaue leistet im »Karneval der Differenzen« eine politische Kritik der Mode - in der u.a. gezeigt wird, dass die linke Marotte, alles, selbst die Klotten, politisch aufzuladen, Ressentiment gegen statt Sehnsucht nach Verwirklichung des Schönen ist, welche im Widerspruch der Mode aufscheint.
Gegen Letzteres sind wir nicht – ansonsten aber immer noch aus Gründen gegen fast Alles.
Die Redaktion.
« Zurück