Das Wetter
Ein Hertz für den Scheich
Wenn einer, der es mit den Juden hält wie der Bremer Galerist Cornelius Hertz, seine Geschäftsräume ausgerechnet in der Richard-Wagner-Strasse hat, wirkt es wie feinste Corporate Identity. Würde andererseits die Strasse nicht so heißen wie sie nun mal heißt, bliebe ihm immer noch die Möglichkeit des „Straßenkampfes", wie die taz Bremen neulich die Umbenennung jener Strasse, in der sie ansässig ist, in Rudi-Dutschke-Strasse nannte. Was würde dabei herauskommen? Vielleicht eine Scheich-Jassin-Strasse? Es wäre wohl denkbar, denn mit der palästinensischen Aggression ist er solidarisch. Erst kürzlich, anlässlich der Demonstration gegen die Außenministerkonferenz, lief Hertz mit einem Transparent herum, auf dem er Antiislamismus als neuen Antisemitismus brandmarkte. Noch bis zum 11. Mai kann man sich in der Galerie Hertz über „Besatzungsalltag und Widerstand in Palästina" informieren. Was es dort zu sehen gibt? Na, was diese antisemitischen Juden alles angerichtet haben: kaputte Häuser, zerlumpte Männer, weinende Frauen, tote Kinder.
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Abweichende Meinungen
Anlässlich des „Vernichtungsfeldzuges" der israelischen Armee gegen die die libanesische Zivilbevölkerung und die Gotteskrieger der Hisbullah gab es am 07.09.2006 von Herbert Fertl, dem Israelexperten des Gegenstandpunkt Verlages aus München, im Bremer „Bürgerhaus Weserterrassen" unter dem Titel „Israels grenzenlose Staatsraison" äußerst wichtige und einschlägig argumentative „Urteile" über die „Interessen" und „eigentlichen Zwecke" des Judenstaates in seinem aktuellen und sicher nicht letzten Krieg zu hören. Doch nicht nur Fertls aktuelle Schablonenanalyse über den Krieg konnte sich das zahlreich erschienene Publikum an diesem Abend hinter die Ohren schreiben, darüber hinaus erfuhr man ebenso einige historische Tatsachen über die Person Theodor Herzl und dessen „völkisch rassistisches Staatsgründungsprogramm" - und wie die Zionisten mit der von Hollywood inszenierten „Holocaustgeschichte" zum Zwecke der „moralische Rechtfertigung" ihres Staatsprogramms ihr gänzlich eigens Süppchen zu kochen pflegen; nichts neues also im Grunde was einem nicht schon Fertl's 1983 erschienenes Buch zu Israel hätte einleuchten können. Nach dem dritten Weizenbier schließlich gab es dann endlich doch noch einige, man könnte sagen, „zugespitzte Urteile" von Fertl zu bestaunen, welcher es sich am Ende seines Vortages nicht nehmen ließ den Gazastreifen als ein „gigantisches KZ" zu bezeichnen und von der „Endlösung des Palästinenserfrage" zu schwadronieren. Zwar ließe sich hierzu mit Fertl's Genosse Karl Held entgegnen „Mensch Fertl! Prüf doch mal den Wahrheitsgehalt von dem Satz!", doch das wäre so ungefähr das gleiche, wenn man einem Antisemiten zu erklären versuchen würde, dass Juden Menschen sind - irgendwie albern. Eben
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Kafka auf Kresnik
Das neue Stück „Amerika" von J. Kresnik - Schwarm Bremer Kulturfreunde und -freundinnen und Busenfreund des Intendanten und Walserfans Pierwoß - ließ schon vor seiner Premiere Dämme brechen: in Folge eines Konstruktionsfehlers fluteten den Güterbahnhof hunderttausende Liter Wasser (und damit das unversicherte Equipment eines Drittels aller Bremer Bands), die eigentlich zur Darstellung des Nordatlantik bestimmt waren, über den Karl Roßmann - der Protagonist des Kafkaschen Romans „Amerika" - von Europa nach Amerika schipperte. Mit Kafka hat das Kresnik-Stück unmittelbar nicht mehr zu tun als Auschwitz mit Guantanamo: beides möchte aber dem Publikum weiß gemacht werden, was nicht schwer ist, denn das Bremer Publikum ist ein deutsches und auch ein bisschen links. Von Burgern und Silikonbusen ebenso wenig haltend wie von Bush, schiebt es sich auf Blickfang mit dem schlechten Atem des Nachbarns im Nacken und den Ellenbogen des anderen im Magen über das Gleis im Güterbahnhof und wird zu dem, was es immer schon sein wollte: einig, deutsch (was im Stück mit europäisch fälschlich bezeichnet wird) und vor allem gegen Amerika. Wer das Stück nicht gut findet, kann so deutsch nicht sein - so fragte Kresnik selbst einen Besucher, der akzentfrei seinen Unmut über das Stück äußerte: „Bist Du Amerikaner?" Und präzisierte die Botschaft seines Spektakels: „Dann raus hier!" Das auch im Herzen deutsche Publikum hingegen wird von sanften Klängen begleitet hinausgeleitet - nicht bevor VertreterInnen des „good old europe" von Vertretern der USA auf der Bühne schuldig gesprochen werden: im „Lager" (man beachte im, nicht für die Errichtung derselben) - vorbei an einer Wand aus Bildschirmen, auf denen ein wildgewordener Donald Duck im Loop die Freiheitsstatue küsst. An der letzten Haltestelle der Volkswanderung erfüllt sich der „german american dream": mit lautem Geklöter kracht die Freiheitsstatue zusammen. Der „Damm der Schuld" wird gebrochen, die Rache genommen: Im letzten Applaus wird das Publikum bis Ende Juli nicht nur das Ensemble für die Tyrannei eines betrunken pöbelnden Kresnik entschädigen, sondern der symbolischen Vollendung des 11. September Beifall zollen und unter Beweis stellen, wie wenig in Deutschland ein sich als kapitalismuskritisch verstehender Antiamerikanismus mit Kafka und wie viel mit der Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit, in der deren Gegner zu Tätern und deren Täter zu Opfern erklärt werden, zu tun hat.
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Heuschrecken erschrecken
„Die große Koalition will die Bahn privatisieren und das Bundeseigentum an der Deutschen Bahn AG an private ‚Investoren' - auch Heuschrecken genannt - verkaufen."
(Aus einer Einladung der „Bremer Antikapitalistische Linke BAL" zur Veranstaltung „In den letzten Zügen. Höchste Eisenbahn - Stoppt die Börsenbahn" mit Dr. Winfried Wolf vom Bündnis „Bahn für Alle" am 14.02.07)
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Sympathisches aus Berlin
Im Februar dieses Jahres gründete sich in Berlin der „Zentralrat der Ex-Muslime" (ZdE), ein Zusammenschluss ehemaliger oder seit jeher fälschlicherweise mit dem islamischen Glauben assoziierter Personen, denen nicht nur das im islamischen Recht formulierte Verbot vom Abfall bzw. Rücktritt des Glaubens übel aufstößt, sondern die den Islam in unzähligen Belangen in einem grundsätzlichen Konflikt mit Menschenrechten und Meinungsfreiheit sehen. In ihrer zeitgleich lancierten Grundsatzerklärung „Wir haben abgeschworen" begründen die Mitglieder des ZdE die Notwendigkeit einer kritischen Distanz zum Islam zum einen mit dem Versäumnis aufklärerischer Entwicklungen aus denen noch heute im islamischen Herrschaftsraum „Ehrenmorde, weibliche Genitalverstümmelung, Steinigungen, Hinrichtungen, Folterungen sowie andere unmenschliche Praktiken" resultieren. In diesem Zusammenhang monieren sie gleichsam die bestehende „Kuscheldiplomatie" deutscher Politik und fordern eine konsequente Unterstützung der „säkluar-demokratischen Opposition" in den betroffenen Ländern. Für den Umgang mit dem hiesigen Absatzmarkt islamischer Ideologie erheben sie neben einigen praktischen Alltagsempfehlungen, wie dem Verbot des Kopftuchs, der Teilnahme muslimischer Kinder an Schwimm- und Biologieunterricht, die Forderung nach universeller Gleichbehandlung der Geschlechter, einer auf Vernunft und Toleranz basierenden Erziehung, sowie auf der strikten Trennung zwischen Staat und Religion. Der Vorwurf einzelner Politiker und muslimischer Verbände mit der Gründung würde die „Islamophobie" in Deutschland angeheizt, sowie die Tatsache, dass seit der Gründung einige Mitglieder des ZdE´s unter Polizeischutz stehen, illustrieren die fortwährende Renitenz mit der der Kritik am Islam begegnet wird.
Bleibt ihnen an dieser Stelle also nur ein rascher Mitgliederanstieg zu wünschen.
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Wirf Dich glücklich?!
Selbst den Indymedia-Lesern war das zu wenig: Vermutlich aus gutem Grund haben die Urheber eines (schwarz-roten) Farbeier-Anschlags vom 19.3. auf den Laden »Kauf Dich Glücklich« im Bremer Ostertorviertel auf eine Erklärung verzichtet. Was uns dadurch erspart blieb, ist nur zu vermuten. Dass solch unverschämt kapitalistische Manipulation suggeriere, Konsum mache glücklich und man sich lieber gegen eine Spende was im Umsonstladen holen solle oder so ähnlich. Man wird wohl abwarten müssen, warum ein Laden, dessen Name mit jenem bürgerlichen Versprechen auf Glück (das im Kapitalismus doch nie befriedigt werden kann) so offen und auch humoristisch spielt, schlimmer sein soll, als die moralischen Appelle der Reformhaus- und Weltladen-Kartelle, bei der man mit jeder Ware die Welt rettet. Ob nur ein privater Racheakt wegen Umtauschverweigerung oder doch ein »radikaler« Anschlag auf einen »Konsumtempel«: Es bleibt ein lohnendes Beispiel für blinden Aktionismus.
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Heuschrecken bedrohen die Natur!
„Wir stehen vor der Frage, ob Bremen eine Stadt für die Bürger bleiben soll oder ob Bremen ein reines Wirtschafts- äh- Gemenge sein soll, wo irgendwelche Leute wie die Heuschrecken uns aussaugen und anschließend zur nächsten Stadt weiterziehen, ne?"
(Olaf Dinné, Mitbegründer der Grünen, am 10.2.07 während er eine Menschenkette um einen Baum bildet. Anlass der Demo ist der Versuch der Stadt Bremen, die Linden an der Schwachhauser Heerstraße zu fällen. Die Protestgruppe existiert seit 18 Jahren, die Bäume hier sind die letzten, die gefällt werden.)
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